Inklusion in Offenbach

ein paar Zahlen und Fakten anläßlich des Besuchs von Frau Staatsministerin Nicola Beer am 14. November in der Wilhelmschule und am 16. November in der Waldschule in Offenbach

 Im Schuljahr 2012/2013 haben bisher 378 Förderausschüsse insgesamt stattgefunden, doch gerade mal 148 Kinder werden inklusiv beschult. Nicht dazugezählt sind die noch laufenden Verfahren, bzw. die neu angemeldeten Verfahren auf Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs. (Quelle: Staatliches Schulamt)

Der Haupttförderbedarf, weshalb Kinder auf die Sonderschulen geschickt werden, liegt im Bereich Lernen, Sozial-emotionale Entwicklung und Sprache. Schulen mit diesen Förderschwerpunkten gibt es im Ausland überhaupt nicht.

Die durchschnittliche Anzahl von Förderstunden an Regelschulen liegt in diesem Schuljahr hessenweit bei durchschnittlich 4,3 Stunden pro Kind und hat sich somit seit der Einführung des neuen Schulgesetzes verschlechtert. (Quelle: LAG, Gemeinsam lleben – gemeinsam lernen e.V.)

 Beispiel:

Waldschule, Kreis OF (368 Schüler):

  • 7 Stunden BFZ-Beratung
  • 65 Stunden BFZ-Unterricht

Dezentrale Schule: 7 Stunden (Beratung und Unterricht)

es gab 5 Förderausschüsse, es gibt jedoch einen Bedarf für 30 weitere!

 ein positives Beispiel soll hier nicht unerwähnt bleiben:

Sonnentauschule (214 Schüler):

  • BFZ-Beratung:   5
  • BFZ-Unterricht: 49

es gab keine Förderausschüsse, alle Kinder werden inklusiv beschult!

(Quelle, GEW, Kreis Offenbach, Stand 31. 10.2012)

Eine Befragung von Grundschulen durch die GEW im Kreis Offenbach zeigte, daß die Förderausschüsse einen hohen zeitlichen und bürokratischen Aufwand für Vorgespräche und Organisation seitens der einberufenden Schule erfordern Die Klassenlehrer, die i.d.R. für die praktische Durchführung verantwortlich sind, unterliegen einer starken emotionalen Belastung.

Grundsschulleiter bzw. Klassenlehrer, die nicht wissen, wie oder woher sie die nötigen Vorkehrungen für die adäquate Beschulung des Kindes mit erhöhtem Förderbedarf erhalten können, müssen die Beschulung eines solchen Kindes an der Regelschule wegen mangelnder Fördermöglichkeiten ablehnen.

IGEL-OF e.V. schildert die Problematik aus der Sicht der Eltern: Sie sehen sich einer Mehrheit aus Pädagogen und Schulbehörde gegenüber und stehen ebenfalls unter extremer emotionalen Anspannung und sind oft völlig verunsichert. Gerade Eltern mit Migrationshintergrund verstehen die Vorgehensweise oft nicht richtig oder trauen sich nicht, mit einem klaren Nein dem Votum von Lehrerseite zur Beschulung ihres Kindes in der Sonderschule entgegenzutreten.

Auch finanziell können solche Eltern sich das juristische Verfahren, das ihrem Einspruch gegen die Zuweisung an die Sonderschule unweigerlich folgen muß, oft nicht leisten. Die Klage gegen die Schulbehörde ist jedoch bei Zuweisung an die Sonderschule die einzige Möglichkeit, einen Platz für das Kind an der Regelschule zu erstreiten und damit auch die nötigen Maßnahmen zu einer hochwertigen Beschulung zu erhalten. Einen individuellen Anspruch auf Beschulung in der Regelschule sieht das hessische Schulgesetz noch nicht vor.

Die Förderausschüsse  haben wie beide Seiten, Eltern und Grundschulehrer, berichten, eine sehr lange Vorlaufzeit. Diese bürokratisch langfristige Abwicklung steht jedoch der Tatsache entgegen, daß viele der betroffenen Kinder sofort und unmittelbar Hilfe benötigen. Während des gesamten Verfahrens muß der Klassenlehrer, die Probleme des Kindes im laufenden Unterricht alleine bewältigen.

Daneben gibt es noch eine Reihe von ungeklärten Altfällen, bei denen Förderausschüsse derzeit gar nicht zustande kommen. Diese Kinder gehen in unserem derzeitigen Schulsystem regelrecht unter, ihren Bedürfnissen kann nicht entsprochen werden und oft sorgt dies wieder selbst für eine hohe Belastung des Unterrichtsklimas.

Das neue Schulgesetz legt die inklusive Beschulung in der allgemeinen Schule als Regelfall fest.

Praktisch läßt sich jedoch eine Verschlechterung der Situation an den Schulen gegenüber dem vormals praktizierten Gemeinsamen Unterricht feststellen. Viele Kinder werden ohne ausreichende Maßnahmen beschult. Die mangelnde Anbindung der Förderlehrer, die nur stundenweise vom Förder- und Beratungszentrum an die Regelschule kommen, wird von den betroffenen Lehrerteams beklagt. Ist einer der zuständigen Förderlehrer krank, steht der Lehrer der Regelschule ohne Ersatz da, Ersatz bzw. ein ausreichender Personalschlüssel ist vom Schulgesetz nicht vorgesehen.

Fehlende Klassenobergrenzen erschweren es dem Lehrer, individuell auf jedes Kind einzugehen. Die Klassenobergrenze in der Grundschule liegt derzeitig bei 25 Kindern, in höheren Jahrgängen und aufgrund der hohen Kinderzahl bei gleichzeitiger akuter Raumnot gibt es im Stadtgebiet Offenbach Klassengrößen von 27 Kindern.

Fehlendes Material und die mangelnde Qualifikation führen bei vielen Lehrern zu einer hohen Verunsicherung bis hin zur Ablehnung, Inklusion umsetzen zu wollen. Bis heute gibt es vom  Kultusministerium keine konkreten Pläne zur zukünftigen Lehrerausbildung.

Sowohl die Lehrer im Regelschulbetrieb als auch die Förderlehrer wurden bisher nicht auf den Einsatz im inklusiven Unterricht ausgebildet. Eltern stehen oft sprachlos vor den Toren der Grundschule, wenn die dortigen Direktoren die Anmeldung ihres Kindes mit erhöhtem Förderbedarf ablehnen, mit der Begründung, man habe keine Erfahrung.

Und doch ist Inklusion ein Menschenrecht, das Recht auf inklusive Beschulung fand gemäß UN-Behindertenrechtskonvention Eingang in das neue hessische Schulgesetz.

Jetzt muß Inklusion auch wirklich umgesetzt werden!

Deshalb fordert das Netzwerk für Inklusion von Frau Kultusministerin Beer: 

  • die Zahl der Lehrkräfte (Förderlehrer) bedarfsgerecht zu erhöhen.
  • alle nötigen Sachmittel bereitzustellen, damit die Voraussetzungen für Inklusion geschaffen werden können.
  • Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrer im Sinne der Inklusion anzubieten.
  • Inklusion muß unverzüglich Teil der Lehrerausbildung werden.
  • Reduzierung der Klassenobergrenzen bei gleichzeitiger Erhöhung der individuellen Förderstunden
  • sicherzustellen, dass in der Übergangszeit keine Verschlechterung der Qualität der bereits integrativ bzw. inklusiv arbeitenden Einrichtungen eintritt.

 

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